Frohe Weihnachten ???

In den letzten Wochen war ich etwas schreibfaul, hübscher ausgedrückt: ich litt an einer Schreibhemmung (!).

Inzwischen hat sich hier in Cali etliches ereignet, vor allem was die allgemeine Sicherheitssituation anbelangt. Zum Glück sind wir persönlich nicht davon (direkt) betroffen. Allerdings sind die Nachrichten erschreckend und beeinflussen natürlich auch unsere Stimmung.

Aber der Reihe nach.
Anfang Dezember wurde eine Bekannte Zeugin eines Mordanschlags, dem gleich 3 Personen zum Opfer fielen. Aus ihrem Wohnzimmerfenster beobachtete sie, wie zwei offensichtlich Jugendliche von ihrem Moped herab mit einer Maschinenpistole in ein Auto schossen und drei Insassen ermordeten. Die Waffe warfen sie anschließend weg.
Bei den Tätern handelte es sich um zwei Jugendliche unter 17 Jahren. Sie hatten jeder eine Glock 9mm dabei als sie gefasst wurden. Bei den Opfern handelte es sich – vermutlich – um irgendwie in Drogengeschäfte verwickelte Personen; die Opfer waren 17, 20 und 29 Jahre alt. In einem anderen Stadtteil gabe es an diesem Tag noch zwei weitere Morde und 8 durch Gewalttaten Verletzte.
Die Morde ereigneten sich in einem Stadtteil, von dem wir annahmen, dass er eigentliche „sicher“ sei. Wir selbst haben dort während der ersten beiden Wochen unseres Aufenthalts in Cali gelebt.
Inzwischen haben wir gelernt: es gibt keine sicheren Stadtteile.
Es ist recht einfach, vor allem Jugendliche oder Kinder mit Drogen und/oder Geld „anzufüttern“ und für Mordtaten anzuheuern. Es gibt hier Stadtteile, in denen vor allem Armut und Gewalt herrschen. Selbst die Polizei traut sich da kaum rein.

Wir wurden inzwischen von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass der Monat Dezember in Cali DER Monat des Verbrechens ist. So berichtete mir z.B. ein Mediziner aus dem größten Krankenhaus von der „Hauptgeschäftszeit“, in keinem anderen Monat würden so viele Opfer mit Schussverletzungen oder anderen Gewaltverletzungen eingeliefert wie im Dezember.
Die Lage ist recht komplex und nicht so einfach zu beschreiben. Um euch einen kleinen Einblick in die Geschehnisse seit Anfang Dezember zu geben, zitiere ich nachfolgend aus der Zeitungsberichterstattung.

Frei übersetzt und zitiert aus der Zeitung „El Pais

4.12.2012, Seite A8
Im Dezember werden zusätzlich 1300 Polizisten in Cali eingesetzt. Die Polizei empfiehlt bei der Abhebung größerer Summen Bargeld Begleitung durch autorisierte Personen (meint hier: Polizei, AS).
In diesem Jahr wurden bereits 30 Tonnen Kokain und 5,4 Tonnen Marihuana beschlagnahmt. Außerdem wurden 99 Drogenküchen entdeckt.

7.12.2012, Seite A8
Bis zum November gab es bereits 686 Tote bei Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden in Cali.

8.12.2012, Seite A5
– In Cali gibt es ca. 41.000 Kinder im Alter zwischen 5 und 17 Jahren (8,3% der Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppe), die, nach Daten aus lokalen und nationalen Behörden, berufstätig sind.

– Die Behörden der Stadt Cali empfehlen keine Almosen zu geben, den Kindern nichts abzukaufen und sie nicht zu beschäftigen. Die Behörden verurteilen alle Arten der Ausbeutung.

11.12.2012, Seite A8
– Von Anfang Dezember bis zum 10.12. wurden in diesem Jahr bereits 53 Personen ermordet, zwei mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Am vergangenen Wochenende gab es insgesamt 20 Morde und 18 Verletzte. Im vergangenen Jahr wurden während des gesamten Monats Dezember 199 Personen ermordet.

(Ergänzung AS: Bis zum 23.12.2012 gab es insgesamt 1.728 Morde, das sind 1,4 % weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wie in der Zeitung berichtet wird.)

– Eine Person tot und drei weitere verletzt war das Ergebnis eines Angriffs durch die Sechste Front der FARC gegen die Zivilbevölkerung des Dorfes Venadillo, Cauca.

21.12.2012
– In Tuluá (nördlich von Cali) wurden zwei Frauen im Alter von 23 und 27 Jahren mit 10 kg Marihuana verhaftet.
– Durch die sieben Morde in den vergangenen zwei Tagen stieg die Zahl der Menschen auf 105, die durch Gewalt bisher im Dezember in Cali getötet wurden.
(Es kommt bei den Morden häufiger zu „Kollateralschäden“; Taxifahrer, Passanten, andere unbeteiligte Personen)

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Nachfolgend noch einige Infos, deren Quellen mir im Moment nicht mehr vorliegen:

Schweres Busunglück
Am Wochenende 16.12. ereignete sich ein schweres Busunglück auf der Strecke von Bogotá nach Girardot mit 27 Toten und 15 Verletzten. Die Bremsen versagten. Der Bus war kurz vorher (angeblich) beim TÜV, jedenfalls wurden entsprechende Papiere vorgelegt. Die Unterlagen waren allerdings gefälscht.
Zur Info: In Kolumbien gab es im Jahr 2011 ca. 5.025 Verkehrstote, im gleichen Jahr in Deutschland ca. 3.900.

Major transportiert 56 kg Marihuana
Auf der Straße Jamundi-Cali (diese Strecke führt in unserer Nähe vorbei) wurde bei einer Polizeikontrolle ein Major des Militärs erwischt, der in seinem Auto 59 kg Marihuana transportierte. Die Fenster seines Fahrzeugs hatte er mit Uniformteilen verdeckt, damit man nicht so leicht in das innere des KFZ sehen konnte.
Es wurde festgestellt, dass gegen diesen Offizier bereits ein Verfahren wg. Mordes läuft. Er hatte vor einiger Zeit ein angebliches FARC Mitglied erschossen. Es stellte sich dann allerdings heraus, dass es sich bei dem Toten um einen „normalen“ Zivilisten handelte.
Anfang Dezember wurden in einer Herkules (Transportmaschine der Luftwaffe) ebenfalls größere Mengen Marihuana gefunden.

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